Die Zitronengärten im Osten des GardaseesDie aus China und Indien stammenden
Zitrusfrüchtesind überall auf der Welt verbreitet. Um das Jahr Eintausend wurden sie von den Arabern in Europa eingeführt, und einige Geschichtsforscher vertreten die Auffassung, daß Sizilien die erste Region Italiens gewesen sei, die „wahrscheinlich unter zunächst islamischem und später normannischem Einfluß“ die ersten Zitrusplantagen anlegte.
Im XIII. Jahrhundert brachten Mönche des Klosters des Hl. Franziskus inGargnano die ersten Zitrusfrüchte von der ligurischen Riviera zum Gardasee. Von ihrer Plantage aus, die noch gegen Ende des 19. Jahrhunderts als „die erste“ galt, „da es sich um die erste angelegte und kultivierte Zitronenplantage handelte“ verbreitete sich der Anbau von Zitrusfrüchten in Toscolano Maderno.
Die Struktur der ZitronenplantagenWichtige Voraussetzungen für die Anlage der
Zitrusplantagen, im Italienischen als ‚
Limonaia‚ und im einheimischen Dialekt als sardì bezeichnet, sind die Präsenz eines Wildbaches, ein gut vor Wind geschütztes Tal mit sanft abfallenden Hügeln sowie die Nähe des Gardasees.
Die auf mehreren Terrassen (Còle) angelegten und über Steintreppen miteinander verbundenen Gärten konnten von recht unterschiedlicher Größe sein. Diese Plantagen wurden an drei Seiten durch massive Mauern geschützt, während die Sonnenaussetzung gegen Ost / Südost gewährleistet war. In der Mitte oder auch an einem der äußeren Bereiche der Gärten lag das sog. ‚Casello‘ (Casèl), in dem die Planen und Netze zur Abdeckung der Plantage aufbewahrt wurden.
Der ZitronenanbauFür jede Pflanze der
Plantage stand eine ca. 16 – 20 qm große Fläche zur Verfügung, die als ‚Campo‘ (Cap) oder ‚Campata‘ (Campàa) bezeichnet wird; die Anzahl dieser ‚Felder‘ macht die Größe der
Zitronenplantageaus. Bereits im 16. Jahrhundert legte Agostino Gallo einige Regeln zum
Zitronenanbau fest und empfahl, die Pflanzen auf einem fetten Boden ohne Steine zu setzen, und diesen vor dem Umpflügen und vor der Abdeckung der Plantage zu düngen. Abgesehen vom Düngen muß der Boden von Unkraut und Gras befreit und umgegraben werden; anschließend müssen die Pflanzen beschnitten, bewässert und abgedeckt bzw. erneut aufgedeckt werden. Die Obsternte (Spicànda) wurde von Hand mit Hilfe von Leitern und dreibeinigen Gestellen ausgeführt; die gepflückten Zitronen wurden in Säcke (Grümiàl) aus Tierfellen gelegt.
Der Handel mit Zitronen
Bei der Ernte wurden die Zitronen nach ihrer Größe in die Klassen fine, sopraffine, scarto, scartarello und cascaticcio geordnet; die Zitronen der Klassen fini und sopraffini sowie die besten Früchte der Klasse scarto waren für den Export nach Ungarn, Tirol und in den naheliegenden Ortschaften bestimmt, wobei man „die Früchte der vierten Klasse und ihre weniger noblen Verwandten in Italien verkaufte, während die letzte Klasse nur selten über die Grenzen der Provinz ausgeführt wurden.“
Die KriseIn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts belief sich die Zitronenanbaufläche in Limone sul Garda auf 6,59 Hektar. Bei der ersten Ernte im Jahre 1874 wurden 76.000 Zitronen gezählt, während die Ernte des Jahres 1876 als „gerade ein Sechstel der Ernte von 1875“ und die von 1878 als „mager und unter der des Vorjahres“ bezeichnet wurden. Der Ertrag von 1879 „entsprach dem Durchschnitt der Ernte in den Jahren, als die Pflanzen noch nicht von der Krankheit befallen waren, die 50% der Produktion betraf.“1879 belief sich die Produktion lt. einer landwirtschaftlichen Erhebung auf 550.000
Zitronen, 8.000
Orangen und 3 Doppelzentner
Zitronat.
Zitronen, aber bitte vom Garda!1929 begannen die Arbeiten zur Anlage der ‚westlichen Seeuferstraße‘ (
Gardesana occidentale), und im Oktober 1931 wurde mit der Verbindungsstraße zwischen
Limone sul Garda und den OrtschaftenGargnano und Riva del Garda eine über Jahrhunderte lange Isolation beendet, so daß alle Voraussetzungen für eine günstigere Zukunft von
Limone sul Garda bestanden. In der Tat strömten, wenngleich nur gelegentlich und in bescheidenen Zahlen, nach und nach immer mehr Besucher in die Ortschaft.
Die Zitronengärten, ein Schatz, der geschützt werden mußDie
Zitronengärten am Gardasee sind ein einzigartiges Patrimonium der Kultur und des Landschaftsbildes, das auch heute noch von einer Zeit der Arbeit und der Mühe berichtet. Um dieses Gut zu wahren, wurden mehrere wichtige Initiativen angesetzt.
Der Zitronengarten Pra dela fam bei TignaleAuf einen winzigen kleinen Landstrich am
Gardasee, zwischen den Mündungen der Ströme Piovere und Baès, nach einem am 27. Juli 1754 geschlossenen Kaufakt, ließ die Familie Parisini aus Gargnano einen ersten Zitronengarten anlegen, der heute als ‚alter Garten‘ bezeichnet wird; im Jahre 1850 folgte der ’neue Garten‘, eine südlich ausgerichtete und auf acht Terrassen angelegte
Plantage.
Der Zitronengarten von TesölTesöl ist eine am Fuße des Berges Preàls gelegene und ca. 2 km von
Limone sul Garda entfernte Ortschaft. An der Pforte des südlich im
Zitronengartengelegenen Hauses lesen wir das Datum 1740 und die Buchstaben L.C.V.. Gegen 1820 ging das Eigentum des Gartens von der Familie Bertelli an den Grafen Giacomo Ferrari über. Die
Plantage bestand damals aus 107 ‚Feldern‘ (Campi) auf sechs Terrassen (Còle) mit einer Gesamtfläche von 1.221 qm, die vom im Süden angrenzenden Fluß Fiüm del Tesöl bewässert wurden.
Der Zitronengarten des Castèl bei Limone sul GardaNordwestlich der Altstadt, am Fuße des Mughéra, liegt der
Zitronengarten des Castè. Er gehört zu einer großen Anlage, die sich einstmals vom Mura-Tal über die Via delle Pozze und die Via Castello bis zum kleinen Màndola-Tal ausdehnte. Die insgesamt 1.633 qm große
Plantage wird im rechten Winkel vom Cùen dela Marchesàna in zwei Gelände unterteilt, auf denen der Casèl mit mehreren Terrassen angelegt wurde; der südliche Teil des Gartens erstreckt sich über eine einzige Terrasse (Còla) und ein zweites Gelände über drei Terrassen; der nördliche Teil der Plantage dagegen, auf vier Terrassen, grenzt gegen Norden an das Valèt del Castèl an; hier befindet sich ein weiteres kleines Casèl.
Der Zitronengarten der Villa Boghi
Der Zitronengarten im Park der Villa Boghi (an der Kreuzung mit der Seeuferstraße Gardesana) stammt aus dem frühen 20. Jahrhundert. Er besteht aus sieben ‚Campate‘ in Südlage. Die Pfeiler und Materialien zur Abdeckung der Pflanzen sind neu; die sieben Zitronenpflanzen wurden 2004 gesetzt. Im hinteren Teil des Gartens wurde ein Ausstellungsbereich mit Tafeln zur Geschichte und zu den Eigenschaften der Zitrusfrüchte eingerichtet.