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Kunst und Kultur

 

 

MUSEEN
Die lebendige Museumskultur in der Provinz Verona spiegelt sichtbar die Geschichte, Archäologie, verwurzelten Traditionen und Aktivitäten wider, die von den Einheimischen heute noch gepflegt werden.

DENKMÄLER
Bei einem Spaziergang durch die Altstadt entdeckt man zwischen zinnengekrönten Mauern und in den Himmel ragenden Kirchtürmen immense Schätze der Kultur und Architektur.

VILLEN UND BURGEN
Elegante Villen und prächtige Burgen mit den Wappen der renommiertesten Familien bestechen, umgeben von üppigen Gärten und Parkanlagen, durch ihre unvergleichlich schöne Lage.

PFARRKIRCHEN
Hinter den starken Mauern alter romanischer Pfarrkirchen, die eindrucksvolle Orte der Stille und wertvolle Meisterwerke der Kunst und Kultur sind, verbergen sich die Geheimnisse der Geschichte und des Christentums.

SCHULTOURISMUS
Besichtige das schöne Verona und die herrlichen Sehenswürdigkeiten seiner Provinz zusammen mit Deinen KlassenkameradInnen! Unterwegs lernt Ihr spielerisch die Geschichte kennen, entdeckt die Natur auf Ausflügen und nehmt an unterhaltsamen Werkstätten teil.

 

Johann Wolfgang von Goethe

 

Goethes Familie lebte in Frankfurt, im Haus am Großen Hirschgraben, dem heutigen „Goethe-Haus”. Johann Caspar Goethe (1710-1782), Goethes Vater, widmete sich der Zusammenstellung eines Naturalienkabinetts sowie der Sammlung von Gemälden und brauchte neben diesen Tätigkeiten und der Erziehung seiner Kinder keinen Beruf auszuüben, da er sich den Titel eines Kaiserlichen Rates gekauft hatte und repräsentativen Aufgaben nachgehen konnte.

Goethes Mutter, Catharina Elisabeth Goethe, geb. Textor (1731-1808), stammte aus einer alteingesessenen Patrizierfamilie. Die Tochter des Frankfurter Schultheißen (hier: Vorsteher des Justizwesens) hatte mit 17 Jahren den damals 38-jährigen Rat Goethe geheiratet. Der Sohn schrieb später:

Vom Vater hab’ ich die Statur,
des Lebens ernstes Führen.
Vom Mütterchen die Frohnatur
und Lust zu fabulieren. [1]
Diese spätere Selbststilisierung ist allerdings irreführend, denn Goethe war keine Frohnatur und sein Verhältnis zu den Eltern nicht frei von Konflikten. Außer der am 7. Dezember 1750 geborenen Schwester Cornelia Friderike Christiana starben alle anderen Geschwister früh. 1758 erkrankte Goethe an den Blattern (Pocken).

Goethe wurde, gemeinsam mit seiner Schwester und zeitweise seiner Mutter, von seinem Vater und durch Privatlehrer in allen damals üblichen Fächern und mehreren Sprachen (Lateinisch, Griechisch, Französisch, Englisch und Hebräisch) unterrichtet. Auch erhielt er den seinen Kreisen gemäßen Unterricht im Tanzen, Reiten und Fechten. Er war eher ein Musterknabe als ein Raufbold, lernte leicht, wenn man seinem Spieltrieb freien Lauf ließ. Sein großes Vergnügen war immer Zeichnen, Musik dagegen war nicht seine Sache.

Eine wesentliche Rolle im streng lutherischen Haushalt der Goethes spielte die religiöse Erziehung der Kinder, wozu die tägliche Bibellektüre und der sonntägliche Gottesdienstbesuch gehörten. Für erste Glaubenszweifel sorgte die Nachricht des Erdbebens von Lissabon 1755, wo sich Gott, indem er die Gerechten mit den Ungerechten gleichem Verderben preisgab, keineswegs väterlich bewiesen hatte.[2] Der Religionsunterricht, den Goethe zunächst bei dem Frankfurter Senior Johann Philipp Fresenius, einem Freund der Familie, später auch bei seinem Onkel, dem Pfarrer Johann Jakob Starck, erhielt, sagte ihm wenig zu, war doch der kirchliche Protestantismus, den man uns überlieferte, eigentlich nur eine Art von trockner Moral: an einen geistreichen Vortrag ward nicht gedacht, und die Lehre konnte weder der Seele noch dem Herzen zusagen. Einzig die Beschäftigung mit dem Alten Testament, vor allem den Geschichten um die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob, regt seine Phantasie an. Seine Haltung zur Kirche und den christlichen Dogmen blieb auch später distanziert bis ablehnend. So charakterisierte er beispielsweise die Kirchengeschichte als „Mischmasch von Irrtum und Gewalt”.[3] und besonders die christliche Lehre von der Erbsünde entfernte ihn schon früh von der lutherischen Orthodoxie seiner Zeit.

Bereits als Kind begeisterte er sich für die Literatur, die er in der umfangreichen Bibliothek seines Vaters fand, wobei er sein Augenmerk zunächst auf Friedrich Gottlieb Klopstock und Homer richtete. Auch eine Begeisterung für das Theater wurde in jungen Jahren geweckt: im väterlichen Haus wurde alljährlich ein Puppentheater eingerichtet, das ihn faszinierte. Später schrieb er, er wünschte sich, „zugleich unter den Bezauberten und Zauberern” zu sein.[4] Während der Besetzung Frankfurts durch französische Truppen 1759 besuchte er häufig das französische Theater im Junghof. 1763 erlebte er ein Konzert des damals 7 Jahre alten Mozart. Mit 14 Jahren bewarb er sich um die Mitgliedschaft in der tugendhaften Arkadischen Gesellschaft zu Phylandria, wurde jedoch wegen „Ausschweifung” abgewiesen. 1764 wurde er auch Zeuge der Feierlichkeiten anlässlich der Krönung Josephs II. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, was er in Dichtung und Wahrheit ausführlich beschreibt.

Am 30. September 1765 verließ er Frankfurt, um in Leipzig das Studium der Rechte aufzunehmen.
Studium und Geniezeit (1765-1775)

Leipzig (1765-1768)
Von 1765 bis 1768 studierte Goethe in Leipzig Jura; dieses Studium repräsentierte das Gegenteil seiner bisherigen Ausbildung und stieß ihn ab. Er hörte dort lieber die Poetikvorlesung von Christian Fürchtegott Gellert und nahm an dessen Stilübungen im sanften Stil der Zeit teil. Auch nahm er Zeichenunterricht bei Adam Friedrich Oeser, dem Direktor der Leipziger Akademie. Dort lernte er antike Plastik in Gipsabgüssen und zierlichen Gemmen kennen und wurde von Winckelmanns Ideen beeinflusst. Anfangs aufgrund seiner Herkunft belächelt, entwickelte er sich in wenigen Wochen zum Stutzer. Er verliebte sich in Käthchen Schönkopf und besang diese Liebe in für das Rokoko traditionellen Versen. 1770, als Goethe 21 Jahre alt war, erschien eine erste, anonyme Sammlung von musikalisierten Liedern im Druck (Gedichtzyklus Annette).

Frankfurt/Straßburg (1768-1770)
Es folgte eine eineinhalbjährige, von manchen Rückfällen unterbrochene Genesungszeit, deren Dauer zu einer tiefgehenden Verstimmung mit dem Vater führte. Während der Rekonvaleszenz wurde er fürsorglich von der Mutter und seiner Schwester gepflegt. Während er sich noch auf dem Krankenlager langweilte, schrieb er eine freche Kriminalkomödie. Eine Freundin der Mutter, Susanne von Klettenberg, brachte ihn mit pietistischen Vorstellungen der Herrnhuter in Berührung. So beschäftigte er sich einige Monate lang eingehend mit Mystik, Alchemie und Seelenerforschung. Im April 1770 verlor der Vater die Geduld, Goethe verließ Frankfurt, um in Straßburg sein Studium zu beenden.

Wieder aber kümmerte er sich wenig um die trockenen Repetitorien. Im Elsass blühte er auf; kaum eine andere Landschaft hat er später ähnlich liebevoll beschrieben wie jene Rheingegend. In der Tischgesellschaft seiner Pension lernte er mit dem armen Johann Heinrich Jung-Stilling eine Lebensgeschichte aus dem Volk kennen. Weitere Bekanntschaften waren Lerse und Lenz. Entscheidende Anregungen aber gab Herder, der sich wegen einer Augenoperation in Straßburg aufhielt und den der junge Mann ansprach. Herder war die erste überlegene Persönlichkeit, die Goethe kennenlernte. Seine Führung war unbarmherzig, er putzte die zierlichen Gemmen und die geliebte römische Dichtung als flache Kopien herunter und öffnete dem Jüngeren die Augen für die dramatische Gewalt Shakespeares. Er machte ihn mit den damals eben veröffentlichten Gesängen Ossians vertraut und erschloss ihm die Poesie der Völker. Nicht Stammbäume und Schlachten seien wichtig, sondern das Werden und Wesen der Völker, sichtbar in ihrer unverbildeten Dichtung: dem Alten Testament, Homer, Mythen und Sagen. Dieser ganzheitliche Ansatz kam Goethes Art zu denken nun sehr nahe und beeindruckte ihn zutiefst.

In Straßburg erlebte er zum ersten Mal altdeutsche Baukunst. Der Eindruck der gewaltigen Massen, die sich – „einfach und groß” – gen Himmel türmen, führt wenig später zu der begeisterten Schrift „Von deutscher Baukunst D. M. Erwini a Steinbach”.

Auf einem der vielen Ausflüge kam er in dem Dorf Sesenheim in ein gastfreundliches Pfarrhaus und verliebte sich in eine der Pfarrerstöchter, Friederike Brion. Nach einem Jahr jedoch beendete er die Beziehung (Lenz schrieb in diesem Zusammenhang von einem Menschen „welcher kam und ihr als Kind das Herze nahm”). Aus der Straßburger Zeit stammen Gedichte, darunter z. B. „Willkommen und Abschied”, „Sesenheimer Lieder” und „Heideröslein”.

Die vom Vater ersehnte juristische Dissertation, er „verlangte ein ordentliches Werk” [5], gestaltete er mit seinen eigenwilligen Ideen so, dass sie nicht einmal zur amtlichen Zensur angenommen wurde. Die Arbeit mit dem Titel De legislatoribus ist nicht erhalten. Der Theologieprofessor Elias Stöber bezeichnete Goethe als überwitzigen Halbgelehrten und … wahnsinnigen Religionsverächter.[6] Dennoch konnte Goethe durch eine Disputation am 6. August 1771 in Straßburg zwar das Lizentiat erhalten, wurde aber nicht zum Doktor promoviert, worüber der Vater unzufrieden und enttäuscht war, mußte doch sein Sohn mit einem zweiten Preis vorlieb nehmen.[7] Grundlage waren 56 Thesen in lateinischer Sprache unter dem Titel Positiones Juris. In der vorletzten dieser Thesen spricht er die Streitfrage an, ob eine Kindsmörderin der Todesstrafe zu unterwerfen sei. Das Thema greift er später in der Gretchentragödie in künstlerischer Form wieder auf.

Seine Ausbildung war damit abgeschlossen; man bot ihm eine Karriere im französischen Staatsdienst an. Die aber lehnte er ab. Er wollte sich nicht binden, sondern ein „Original-Genie” sein.
Frankfurt und Darmstadt (1771)
Ende August 1771 wurde Goethe in Frankfurt als Lizenziat zugelassen. Er wollte wohl im Sinne fortschrittlicher, humaner Rechtsprechung und eines humanen Vollzugs tätig werden. Bereits bei seinen ersten Prozessen ging er zu forsch vor, erhielt eine Rüge und verlor die Lust. Damit war nach wenigen Monaten seine Laufbahn beendet, auch wenn die Kanzlei noch einige Jahre existierte. Damals stand er in Verbindung mit dem Darmstädter Hof, wo man der Mode der Empfindsamkeit huldigte; aus diesem „Darmstädter Kreis” sind Johann Georg Schlosser (sein späterer Schwager) und Johann Heinrich Merck hervorzuheben. Oft ritt oder wanderte er – auch im Schneesturm – von Frankfurt nach Darmstadt; sein Drang in die Natur war eine Trotzreaktion: Sturm und Drang.

Auch literarische Pläne verfolgte er wieder; dieses Mal hatte der Vater nichts dagegen, half sogar. Einem alten Buch entnahm Goethe die Lebensbeschreibung eines adeligen Wegelagerers aus der Zeit der Bauernkriege. Die Geschichte – kräftig umgewandelt – fügte er in wenigen Wochen zu einem bunten Bilderbogen (er selbst nannte sie in einem Brief „ein Skizzo”). Wie bereits in der Kindheit schuf er sich seine eigene Bühne, traf jedoch damit in das Herz seiner Zeitgenossen; das Stück wurde abgeschrieben, an Freunde gegeben. Die waren begeistert von der Geschichte des „Gottfried von Berlichingen mit der Eisernen Hand”. Wie mit der Würdigung altdeutscher Baukunst traf er auch hiermit einen Nerv seiner Zeit. Als Herder das Stück (das noch gar nicht für die Bühne gedacht war) kritisierte, wurde er von seinem Zögling abserviert. Merck trat als kritischer Förderer an seine Stelle.
Praktikant in Wetzlar (1772)
Von unbezahlter Mitarbeit an einer literarischen Zeitschrift (herausgegeben von Schlosser und Merck) konnte er nicht existieren. Im Mai 1772 ging Goethe zur Vervollständigung der juristischen Ausbildung als Praktikant an das Reichskammergericht in Wetzlar. Das altehrwürdige, aber völlig verwahrloste Institut (einzelne Verfahren waren bereits seit über drei Generationen anhängig) wurde damals einer von Kaiser Joseph II. angeregten „Visitation” (kritische Beurteilung) unterworfen. Gebildete junge Juristen, mit denen er sich im Gasthof „Zum Kronprinzen” traf, waren dort tätig, darunter ein Hofrat Johann Christian Kestner. Dieser beschrieb ihn mit folgenden Worten: „…kam hier ein gewisser Goethe aus Frankfurt an, seiner Hantierung nach Dr. juris, 23 Jahre alt, einziger Sohn eines sehr reichen Vaters, um sich hier – dies war seines Vaters Absicht – in praxi umzusehen, die seinige aber war, den Homer, Pindar und andere zu studieren und was sein Genie, seine Denkungsart und sein Herz ihm weiter für Beschäftigungen eingeben würden… Er hat sehr viele Talente, ist … ein Mensch von Charakter, besitzt eine außerordentlich lebhafte Einbildungskraft… Von Vorurteilen frei, handelt er, wie es ihm einfällt, ohne sich darum zu bekümmern, ob es andern gefällt… Aller Zwang ist ihm verhasst… Er ist bizarr und hat in seinem Betragen… verschiedenes, das ihn unangenehm machen könnte. Aber bei Kindern, bei Frauenzimmern und vielen anderen ist er doch wohl angeschrieben…”. Es war dies die letzte neutrale Charakterisierung, bevor Goethe zum Objekt der Verehrung wurde.
Erste Begegnung mit Charlotte Buff (1772)
Im Haus der mit Kestner Verlobten Charlotte Buff, genannt „Lotte”, erlebte Goethe, wie schon in Sesenheim, häusliches Familienleben. Nachdem er sich in Charlotte Buff verliebt hatte – die beiden waren sofort unzertrennlich – führte er ein ernstes Gespräch mit Kestner. Bereits am folgenden Morgen war Goethe nach Frankfurt geflüchtet. Dort ließ er sich nun dauerhaft nieder, war allerdings ständig unterwegs. Berühmt wurden sein Besuch in Koblenz bei Sophie von La Roche, der Gattin eines Ministers des Erzbischofs von Trier, und seine Bekanntschaft mit deren Tochter Maximiliane (der späteren Frau Brentano, Mutter von Clemens und Bettina Brentano), der er, wie Charlotte in Wetzlar, zärtlich zugeneigt war, die ihn aber ebenfalls nicht erhörte. Merck drängte („Bei Zeit auf die Zäun, so trocknen die Windeln”), den Götz von Berlichingen in eine Bühnenfassung umzuarbeiten und zu veröffentlichen. Sie brachten ihn schließlich im Selbstverlag heraus. Er wurde ein Sensationserfolg (mit der Folge von Raubdrucken und einer Flut von Ritterromanen und -schauspielen) und machte Goethe mit einem Schlag berühmt. Allerdings zahlte er dann auch jahrelang Schulden ab.
Werther-Roman (1774)
In dem Briefwechsel mit Kestner erfuhr er von dem Suizid des Gesandtschaftssekretärs Karl Wilhelm Jerusalem. Dies war für Goethe der Auslöser, seinen Roman Die Leiden des jungen Werthers zu schreiben. Darin verband er die eigenen Erlebnisse mit seiner Angebeteten Charlotte Buff mit dem Schicksal Jerusalems. In wenigen Wochen schrieb er sich von der Seele, was ihn bedrückt hatte, befreite er sich „von seiner Trunkenheit, seinem Rausch”, wie sein Kammerdiener und langjähriger Sekretär Philipp Seidel (1775-1788) sich erinnerte. Auch dieser Roman wurde ein großer Erfolg. Die Folge war eine europaweite Werther-Hysterie, sogar Selbstmorde nach dem Vorbild Jerusalems wurden gemeldet. Der Götz und der Werther – so verschieden sie auch sind – markierten den Beginn einer neuen deutschen Literatur. Der ruppige Stil des Götz wurde Mode bei den Dichtern des Sturm und Drang. Goethe aber galt von nun an als Genie, seine beiden ersten bedeutenderen Werke hatten ihm zu Weltruhm verholfen.
Fragmente und Abgeschlossenes
Das Elternhaus wurde zu einer Herberge für alle möglichen Interessenten, Schmeichler, jedoch auch ernstzunehmende Freunde, darunter Klopstock. Eine Fülle weiterer Arbeiten entstand: Fastnachtspossen im Stil von Hans Sachs, die Farce „Götter, Helden und Wieland”, das „Jahrmarktsfest zu Plundersweilern”, er machte sich über das Treibhaus der Sentimentalität, die Darmstädter Naturschwärmer, lustig. Daneben finden sich Pläne zu Dramen über bedeutende Gestalten der Geschichte: Mohammed („Mahomet”), Sokrates, Cäsar, Prometheus, Christus, den ewigen Juden Ahasver… All diese genialen Fetzen blieben Fragmente. Einen damals aufgegriffenen Stoff allerdings behandelte er später weiter: den „Faust”. Vollendet wurde das Drama „Clavigo”, in dem er mit Gefühl den Konflikt von Begabung und Charakter behandelte (die Anregung zu diesem Stoff stammte von Beaumarchais). Die Zeit schwankte unentschlossen zwischen Sentimentalität und Sturm und Drang, Klassizismus und beginnender Romantik. In ähnlicher Weise schwankt der Hauptdarsteller 1775 in Goethes Bühnenstück „Stella, ein Schauspiel für Liebende” unentschieden zwischen zwei Frauen; die Handlung mündet in eine Doppelehe.
Begegnung mit Carl August und Elisabeth Schönemann

Großherzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach
Lili Schönemann1774 unternahm Goethe mit seinen Freunden Basedow und Lavater eine Lahnreise nach Ehrenbreitstein. Im Dezember 1774 vermittelte ein Major von Knebel die Bekanntschaft mit dem Erbprinzen Carl-August von Sachsen-Weimar, dem späteren Großherzog (acht Jahre jünger als Goethe), der auf dem Weg zu seiner Kavaliersreise nach Paris war. Im selben Winter lernte er Elisabeth Schönemann (Lili), Tochter aus einem Frankfurter Bankiershaus, kennen. Sie wird geschildert als reizende, lebenslustige Blondine, gleichzeitig aber selbstbewusst, fein und ernsthaft. Die junge Frau entzückte ihn leidenschaftlich. Lili war keine ungefährliche „Äbtissin” wie seine ferne Brieffreundin Auguste von Stolberg oder bereits gebunden wie Lotte in Wetzlar. In seinen späten biographischen Notizen findet sich zwar nur die Wortreihe „Abenteuer mit Lili – Einleitung – Verführung – Offenbach”, in seinem Gedicht „Lilis Park” erfährt man aber relativ unverschlüsselt, was dies zu bedeuten hatte. Es kam zur förmlichen Verlobung, die jedoch nur ein halbes Jahr Bestand hatte.
Über die Schweiz nach Weimar (1775)
Bevor es ernst wurde, flüchtete er wieder einmal: zusammen mit den Brüdern Christian zu Stolberg-Stolberg und Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg sowie Christian Graf von Haugwitz unternahm er – in Werther-Uniform – eine Reise in die Schweiz (Mai bis Juli 1775), das Land der unverfälschten Sitten, der ehrlichen Landleute. Lavaters patriarchalischer Haushalt in Zürich entsprach durchaus dieser Vorstellung. Dort besuchte er auch den alten Johann Jakob Bodmer, von dem er nicht wusste, dass der vor Jahrzehnten versucht hatte, das Nibelungenlied herauszugeben. Mit dem jungen Jakob Ludwig Passavant reiste er weiter bis an den Gotthard-Pass. Das ersehnte Italien lag vor ihm – er aber kehrte um. Lili dagegen vergaß er zeitlebens nie und verewigte sie gleich in zweien seiner Werke: als Hauptfigur in Stella und als Dorothea.

Wieder in Frankfurt wurde Goethe von Carl-August (nunmehr Herzog von Sachsen-Weimar) aufgesucht, der in ihm einen geeigneten Berater für seine Regierungstätigkeit sah. Er lud ihn ein, als sein „Favorit” nach Weimar zu kommen. Der reichsstädtisch gesinnte Vater war dagegen und riet zu einer Reise nach Italien. Goethe war bereits auf dem Weg dorthin; in Heidelberg holte ihn die weimarische Kutsche ein, und Goethe gab seinem Leben eine völlig neue Wendung. Mit dieser Fahrt von Heidelberg nach Weimar brechen seine Lebenserinnerungen „Dichtung und Wahrheit” ab.
Minister in Weimar (1775-1786)

Goethes Gartenhaus in Weimar
Goethes Wohnhaus in Weimar, das Haus am Frauenplan.
Heutiger Museumszugang links am Bildrand; die beiden Tore links und rechts des früheren Haupteinganges gestatteten Goethe eine Durchfahrt mit seiner Kutsche in den hinteren Wirtschaftstrakt zu Stallungen und Kutschenremise.
Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach
Gemälde von J. E. Heinsius (1773)

Amtsübernahme und Wirken
Am 7. November 1775 traf er in Weimar (damals zusammen mit Eisenach, Jena, Neustadt und dem Amt Ilmenau als Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach) ein, einem der vielen verarmten Duodezfürstentümer im Reich. Die ersten Monate waren angefüllt mit Festen, Lustbarkeiten, Tollheiten aller Art und einem Besuch bei dem nunmehr verheirateten Käthchen Schönkopf (Frau Kanne) in Leipzig; im Frühjahr 1776 begann er, an einzelnen Sitzungen des Conseils (informell) teilzunehmen. Im Juni wurde er zum Geheimen Legationsrat mit Sitz und Stimme in diesem Ministerrat ernannt, gegen den Widerstand des Hofs, der Minister und Beamten. Doch früh hatte Goethe Verbündete gefunden in Wieland und der Herzoginmutter Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach; mit dem jungen Herzog war er ohnehin bald eng befreundet.

Er wohnte sechs Jahre in seinem Gartenhaus am Park an der Ilm, das der Herzog ihm faktisch zum Geschenk machte. Der vermietete ihm, auch zu Repräsentationszwecken, dann 1782 ein großzügiges Haus am Frauenplan. Vom Herbst 1789 bis Sommer 1792 durfte Goethe mit Christiane Vulpius das Haus nicht bewohnen. Erst vom Sommer 1792 an war die Familie wieder im Haus am Frauenplan, das der Herzog Goethe 1794 mündlich schenkte, aber erst 1807 übereignete. Hier lebte Goethe bis zu seinem Tod; hier entstanden gleichfalls zahlreiche Werke.

Carl August spannte ihn in die Regierungsarbeit ein; in den folgenden Jahren übernahm er verschiedene Ämter: Leitung der Kriegskommission, Direktor des Wegebaus, Leiter der Finanzverwaltung, zeitweise auch Kultusfragen. Faktisch war er Leiter des Kabinetts (Ministerpräsident).

Das Land lernte er auf vielen Wanderungen und Ausritten zu Pferde kennen. Dazwischen (1777) flüchtete er für zwei Monate in den Harz. Im Mai 1778 unternahm er eine Reise mit Herzog Carl-August über Leipzig und Wörlitz nach Berlin und Potsdam. Im Amt Ilmenau stöberte er einen alten Bergbau auf und träumte von Silberschätzen, mit denen man die Finanznot beheben könnte. Am 24. Februar 1784 erfolgte die feierliche Eröffnung des Bergbaues, bei der Goethe eine Rede hielt. Die Bergbaupläne versackten jedoch bald in alten Rechtsansprüchen und Wassereinbrüchen (der letzte Schacht wurde 1812 stillgelegt), hinterließen aber ihre Spuren im Werk (vgl. Faust, zweiter Teil). Die Geologie wurde in Verbindung mit der Mineralogie zu seiner heimlichen Liebe. 1779 unternahm er eine zweite Schweiz-Reise, um in Bern eine Anleihe für das verschuldete Fürstentum aufzunehmen. Auf dem Weg dorthin besuchte er seine noch in Frankfurt lebende Mutter und im Elsass die Verflossenen Lili und Friederike. 1783 folgte die zweite Reise in den Harz, im darauf folgenden Jahr der dritte und letzte Harzaufenthalt. 1785 unternahm er eine erste Reise nach Karlsbad, der noch viele folgen sollten.
Goethe 1779 (Gemälde von G.O. May im Juli 1779), das Jahr seiner zweiten Reise in die Schweiz. Goethe war sieben Jahre jünger als Charlotte von Stein. Zeitweise übernahm er die Erziehung ihres dritten Sohnes Fritz.
Charlotte von Stein, Zeichnung, Selbstportrait um 1780
Charlotte von Stein
Kurz nach seiner Ankunft hatte Goethe die Bekanntschaft der Hofdame Charlotte von Stein gemacht. Mit Schillers Worten: „..eine wahrhaft eigene, interessante Person, von der ich begreife, dass Goethe sich so ganz an sie attachiert hat.. gesunder Verstand, Gefühl und Wahrheit liegen in ihrem Wesen. Man sagt, dass ihr Umgang ganz rein und untadelhaft sein soll.” Herr von Stein war meist dienstlich unterwegs und störte nicht. Diese Frau brachte dem Geniekerl der Sturm-und-Drang-Zeit Manieren und gleichmäßiges Arbeiten bei; es wurde ein dramatischer Umbau seiner Persönlichkeit: vom uferlosen Ich zur disziplinierten Person. Bis dahin war Wühlen ohne Form seine Lust (und seine Stärke) gewesen; von nun an ging es ihm um Gestalt und Formung. Nicht mehr die stürmische sprachgewaltige Darstellung von Leidenschaften, Landschaften und Wolkenflug, sondern das ruhige Nachdenken über große Zusammenhänge der Schöpfung wurden bestimmend für sein Werk. Als Goethe Charlotte von Stein zehn Jahre später – nahezu wortlos – verließ, war sie verbraucht und verbittert, was sich nach der Rückkehr aus Italien durch zunehmende Entfremdung zwischen den beiden zeigen sollte.
Ruine des Anatomieturms in Jena
Von 1750 bis 1858 befand sich hier das „Anatomische Theater”, in dem auch Goethe forschte.
Schädel eines Schafes
Zwischenkieferbein farbig markiert
Naturkundliche Studien
In diesen Jahren begann er, sich intensiv mit Biologie zu beschäftigen, besonders mit Anatomie und dem Werden der Formen in Tier- und Pflanzenwelt. Der Anatomieprofessor Justus Christian Loder vermittelte ihm umfassende theoretische und praktische Fähigkeiten. Gemeinsam mit ihm entdeckte Goethe am 27. März 1784 bei zielgerichteten Forschungen in der Jenaer Anatomie den Zwischenkieferknochen am menschlichen Schädel (auch Sutura incisiva goethei oder Os goethei genannt). Nach herrschender Meinung sollte er nur bei Tieren vorkommen. Goethe, der eine „geheime” Verwandtschaft zwischen Tier und Mensch „ahnend schaute”, sah genauer hin als alle anderen und hatte Erfolg. Noch in derselben Nacht schrieb er an Herder: „Ich habe gefunden – weder Gold noch Silber, aber was mir unsägliche Freude macht – das Os intermaxillare am Menschen”. Schon früh (Herbst 1776) hatte er dafür gesorgt, dass Herder als Generalsuperintendent nach Weimar berufen wurde. Dessen Gedanken über eine organische Entwicklung in der Naturgeschichte kamen seinen Vorstellungen sehr nahe. Die alte Freundschaft wurde wiederbelebt, diesmal allerdings in gleichrangiger Art und Weise; Merck und Lavater dagegen mussten weichen.
Corona Elisabeth Wilhelmine Schröter, Ölgemälde von Georg Melchior Kraus (1785)

Gesellschaftliches Leben
1780 wurde er als Lehrling in die Weimarer Freimaurerloge Anna Amalia zu den drei Rosen aufgenommen (die jedoch bald schließen musste). Im April 1782 besorgte der Herzog ihm endlich vom Kaiser das Adelsdiplom, damit er bei offiziellen Gelegenheiten nicht länger im Abseits sitzen musste. 1783 folgte die Aufnahme in den Illuminatenorden unter dem Namen „Abaris”. Neben unzähligen Gelegenheitsarbeiten (Maskeraden, Aufzügen, Redouten, Singspielen und Gelegenheitsgedichten, meist für Aufführungen in den Lustschlössern des herzoglichen Hofs bestimmt) schrieb er im Wesentlichen nur eine erste Prosafassung des Theaterstückes „Iphigenie auf Tauris”, ein Gegenbild zu seinem Leben. Regierungsgeschäfte, die eigenartige Beziehung zu Charlotte, gleichzeitig eine halbe Affäre mit der attraktiven Corona Schröter – dieses Leben war weder edel noch still. Die Figuren in der Iphigenie dagegen (sogar der Barbarenfürst) sind menschlich und unaufgeregt. An die von Frankfurt mitgebrachten großen Anfänge („Egmont”, „Faust”, „Der ewige Jude”) wagte er sich nicht. Doch begann er 1778 den Bildungsroman „Wilhelm Meister”, ebenso ein leises Kammerspiel für fünf Personen: „Torquato Tasso”. Nach den Erfolgen in der Jugend konnte Goethe nun mit seinen Werken keine Furore mehr machen. Es gab zwar zwei unautorisierte „Gesamtausgaben” (vulgo Raubdrucke), doch ansonsten hatten ihn Publikum und Verleger abgeschrieben.
Unzufriedenheit
1786 zeichnete sich immer deutlicher ab, dass er von seinen Lebensumständen enttäuscht war: die Beziehung zu Frau von Stein wurde unbehaglich, seine Regierungsarbeit besserte die Verhältnisse nicht und raubte ihm die Zeit und Kraft für eigene Schöpfungen. Auch kleinere erotische Abenteuer, wie etwa mit Elisabeth von Lingen, besserten die Lebensfreude nicht. Als endlich dem Herzogspaar der langersehnte Thronfolger geboren ward, war seine Vermittlerrolle abgeschlossen, er ließ sich von den aktuellen Regierungsgeschäften beurlauben und räumte unter Bergen von Manuskripten und Briefen auf. Er bereitete einen neuen Lebensabschnitt vor; wieder eine „Häutung” wie die eines Reptils, wie er es später mehrfach formulierte, beispielsweise in Stella: Ich muß fort! – Ich wär’ ein Tor, mich fesseln zu lassen! Dieser Zustand erstickt alle meine Kräfte, dieser Zustand raubt mir allen Mut der Seele; er engt mich ein! (…) Ich muß fort – in die freie Welt!

 

Goethe in Italien (1786-1788)

Goethe in der Campagna, eines der bekanntesten Werke des Malers Johann Heinrich Wilhelm Tischbein
Die Büste erinnert an Goethes Besuch 1786 in Malcesine am Gardasee in Italien
Johann Heinrich Meyer
beriet Goethe in allen Kunstangelegenheiten
Selbstporträt der Malerin Angelika Kauffmann, deren Haus in Rom Kulturschaffende aus Deutschland anzogAnfang September 1786 stahl sich Goethe ohne Abschied und ohne Wissen von Frau von Stein nach Italien davon. In Weimar war (außer dem Herzog) nur seinem Diener und Sekretär Philipp Seidel das Reiseziel bekannt, auf schnellstem Weg über Regensburg, München, Mittenwald, Innsbruck und den Brenner, den Gardasee und Verona nach Venedig zu gelangen.

Eigentliches Ziel aber war Rom. Dort existierte eine Künstlerkolonie, in der er sich einrichtete. Der Kunstagent Johann Friedrich Reiffenstein bot sich als Cicerone an. Einer der Maler – Heinrich Tischbein – verhalf ihm bei einem Lohnkutscher zu einem einfachen Quartier, das den Beginn einer vom Weimarer Leben abgekoppelten Lebensweise markierte. Später bezeichnete man die folgenden zwei Jahre sehr einfach als die Italienische Reise, für Goethe hingegen war dieses neue Leben in Italien ein Aufblühen und Verwirklichen tiefster menschlicher und kultureller Sehnsüchte – ungebunden, frei und finanziell beweglich, da ihm sein Gehalt in dieser Zeit weiter zugestellt wurde. Hier fühlte er sich zu Hause, er lebte, liebte, zeichnete, modellierte und malte. Geschrieben hat er wenig in dieser Phase (die „Iphigenie” wurde in Versform gebracht und fiel durch, als er sie seinen Freunden vorlas). Johann Heinrich Meyer, ein Schweizer Maler, der sich in Kunstgeschichte auskannte, wurde sein Vertrauter und Berater – bis an beider Lebensende.

Er ließ sich als Künstler von der Monumentalität der antiken Bauten inspirieren (Pantheon, Kolosseum, Kaiserthermen u. a.) und studierte antike Skulpturen (Apoll vom Belvedere, Herkules Farnese, Juno Ludovisi u. a.). Darüber hinaus beschäftigte er sich intensiv mit der italienischen Renaissance-Malerei und bewunderte neben Michelangelo vor allem Raffael als den Gipfel der abendländischen Kunst und wahren Erneuerer der Antike. Nach einem halben Jahr reiste er nach Neapel, wo er die Bekanntschaft von Sir William Hamilton (der altgriechische Vasen sammelte) und dessen Kreis machte, und fuhr weiter nach Sizilien. In Paestum sah er einen altgriechischen Tempel und war betroffen von dessen Wucht; in Palermo fasste er erstmals die Idee der „Urpflanze” als das allen Pflanzenarten gemeinsame Bildungsgesetz. [8] Mitte 1787 kehrte er nach Rom zurück. Nun nahm er die Arbeit am „Torquato Tasso” wieder auf und vollendete den „Egmont”. In dieser Zeit verkehrte er häufig im Haus der Malerin Angelika Kauffmann. Im selben Jahr (1787) entstand auch das berühmte Gemälde Tischbeins, das Goethe als Reisenden in der römischen Campagna zeigt.

Nach zwei Jahren bereitete er seine Rückkehr nach Weimar vor. Die Freundschaft Carl Augusts ebnete auch hier den Weg; in Weimar wollte er nur noch ein Gast sein; „…was ich sonst bin, werden Sie beurteilen und nutzen”, schrieb er seinem Herzog. In seinen Briefen und Tagebucheintragungen, auch in seinem Reisebericht findet sich kaum ein Wort über die Liebe in Rom. Wir haben keine zuverlässige Nachricht von seiner wahren Geliebten, die er in Gedichten „Faustina” nannte. Es ist heute nicht zu klären, ob es eine Mailänderin oder eine Kutschers- oder Gastwirtstochter aus Rom war. Sicher ist nur, dass er in Italien sinnlicher wurde – auch in den Gedichten, die er nach Hause sandte. Nachdem er noch einmal den römischen Karneval mitgefeiert und die Feierlichkeiten der Osterwoche in sich aufgenommen hatte, machte er sich Ende April 1788 auf den Heimweg.
Als Dichterfürst in Weimar (1788-1832)